Mit Millionen von Anrufen gegen die russische Propaganda

Mit Millionen von Anrufen gegen die russische Propaganda
Das Ziel der Anrufe sei es nicht, die Angerufenen zur Umkehr zu bewegen, oder dass das Propaganda-Bild, welches die russischen Staatsmedien zeichnen, falsch sei.

Paulius Senuta ist ein Profi der Kommunikation, der Litauer leitet ein Werbeunternehmen für alle drei baltischen Staaten. Sein aktuelles Projekt hat jedoch keinen Kommerz im Sinn, sondern ein hohes Ziel, es soll den Krieg beeinflussen – Russen im Ausland sollen Russen in Inland von der Situation in der Ukraine erzählen.

Vierzig Millionen Telefonnummern hat er auf der Webseite „Call Russia“ gespeichert, wer Russisch spricht kann eine zufällig generierte Nummer anrufen. Bereits 100 000 Mal klingelte zwischen Smolensk und Wladiwostok das Telefon. Leicht sei dies nicht. „Ich anfangs hatte selbst zwei Bekannte angerufen, die in Moskau leben, gut gebildet sind und internationale Unternehmen leiten.“ erklärt der Werbefachmann gegenüber dem KURIER „Du hast nicht das ganze Bild“ widersetzten sie sich ihm, als er ihnen über die russische Invasion erzählen wollte. Überzeugen von seiner Sicht konnte er sie nicht.

Das Ziel der Anrufe sei auch es nicht, die Angerufenen zur Umkehr zu bewegen, dass das Propaganda-Bild, welches die russischen Staatsmedien zeichnen, falsch sei. „Das wäre naiv und arrogant“ betont der Litauer. Vielmehr soll die russische Gefühlswelt  zum Krieg „hinbewegt“ werden, dass diese reine „menschliche Tragödie“ sei. Darauf, so glaubt Senuta, könne man sich einigen.

Schließlich gibt es Bewohner in Kiew, die ihren Angehörigen in Moskau von ihren Leiden erzählen, und dort auf Unglauben und Ablehnung stoßen. Grundsätzlich ist die russische Kommunikationskultur von Misstrauen geprägt, bis auf Geisteskranke lächelt dort etwa niemand auf der Straße einen Fremden an. 

Ablehnung, Beleidigungen, Geschrei

Der Werbeprofi selbst hat bereits 50 Anrufe hinter sich. Die Hälfte verlief schlecht. Am Anfang gab es mehr  Ablehnung, Beleidigungen, Geschrei. Dies habe abgenommen, wohl weil der Krieg nicht mehr so viele Emotionen erzeugt. Nun würden mehr der Angerufenen nett reagieren  und zuhören –gleichzeitig zeigten sie, Angst vor allem vor andern Russen, dass diese sie anschwärzen könnten, weil sie mit dem Ausland über etwas sprachen, das in Russland „militärische Spezialoperation“ genannt werden muss.

Da er selbst einen litauischen Akzent hat, sich auch als Litauer vorstellte, waren die Angerufenen im Allgemeinen zurückhaltender. Der Westen will ihnen Böses, das ist in vielen russischen Köpfen drin. Doch Russen im Ausland, die die Gespräche führten, konnten auf eine andere emotionale Ebene kommen und teils  sehr lange mit dem Gegenüber reden.

Als psychologischer Leitfaden gelte, dass man sich vorstelle und sage, über was man sprechen wolle, Vorhaltungen oder Rechthaberei haben keinen Platz, bei Aggression sollten Gegenfragen erfolgen, viele Geduld sei nötig.

Gegenreaktionen bekam das Projekt bereits in Form von Hackerangriffen und Mails in denen die Macher beschimpft und gefragt werden, was sie denn bezahlt bekommen. Der Werbeprofi, der unter anderem die Kampagne von Swedbank leitet, betont, dass dies eine private Initiative sei. Und sein Ziel ist ehrgeizig – er will soviele russischsprachige Menschen aufrütteln, dass die vierzig Millionen Nummern angerufen werden.

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